KUNST IM ÜBERBLICK

Sie begegnet uns an verschiedenen – manchmal auch unverhofften – Orten in der Stadt: die Kunst im öffentlichen Raum. Sie lädt ein zum Betrachten und zur Diskussion. Eines der prominentesten Beispiele in Bielefeld ist vielleicht das Kunstwerk „Spiegel“ der Künstlerin Isa Genzken. Die Skulptur wurde nach ihren Entwürfen am 10. April 1992 vor der stadthalle aufgestellt.

DER „SPIEGEL“ (1992) VON ISA GENZKEN vor der Stadthalle ist eines der markantesten Beispiele für Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld.

DER „SPIEGEL“ (1992) VON ISA GENZKEN vor der Stadthalle ist eines der markantesten Beispiele für Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld.

Aber nicht alle Werke in Bielefeld sind so bekannt wie die 30 x 20 Meter große Stahl-Rahmenkonstruktion. Bei manchen fehlen Kenntnisse über den Künstler oder die Künstlerin oder auch Datum und Zweck der Aufstellung. Und einige sind gänzlich in Vergessenheit geraten. Das soll sich nun ändern. Die Kunsthistorikerin Birgit Laskowski wurde von Bielefeld, Herford und Gütersloh in einem interkommunalen Projekt damit beauftragt, die Kunst im öffentlichen Raum zu sichten, zu katalogisieren und nicht zuletzt den Zustand zu begutachten, um etwaige Schäden zu dokumentieren. Unterstützt durch das Kulturamt hat sie 2020 mit der konkreten Erfassungsarbeit begonnen. Es ist ein Herantasten. Die Kölnerin ist in allen Stadtteilen unterwegs, beginnend mit Sennestadt und Mitte. Abgesehen von der Dokumentation von Reinhard Vogelsang mit dem Titel „Stadtzeichen. Skulpturen, Denkmäler und Brunnen in Bielefeld“, die etwa 130 Werke aufführt, gibt es keine systematische Erfassung der Kunst im öffentlichen Raum in Bielefeld. „Zudem muss definiert werden, was als Kunst im öffentlichen Raum gilt“, erklärt Birgit Laskowski. „Soll die Kunst im kirchlichen Kontext dazu gezählt werden? Was ist mit Denkmälern, Privateigentum oder den Brunnen?“ Ihrer Ansicht nach sollten die Begrifflichkeiten weder zu eng noch zu weit gefasst werden. „Es gibt Kunstwerke, wie beispielsweise das Leineweber-Denkmal, mit dem sich sehr viele Bürgerinnen und Bürger identifizieren. In die Dokumentation sollte aufgenommen werden, was inhaltlich sinnvoll ist.“

„AXIS“ (1989) VON RICHARD SERRA ist den Bielefeldern wohlbekannt. Die Skulptur aus wetterfestem Stahl steht vor der Kunsthalle. Verwendet wurden drei Stahlplatten à 1000 x 480 x 5.1 cm. Nur die linke Stahlplatte steht annähernd lotrecht.

KUNSTERFASSUNGALS „LIVING DOCUMENT“

Mittlerweile konnte in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv bereits eine entsprechende Eingabemaske entwickelt werden, um die Kunstwerke entsprechend zu dokumentieren,
samt Informationen, Fotos und hinterlegten
PDFs. „Es geht auch darum, Zuständigkeiten
für die Pflege zu installieren“, betont die
Kunsthistorikerin. Denn die Kunstwerke sind
nicht nur Wind und Wetter ausgesetzt, sondern
werden zuweilen mutwillig beschädigt. Dabei
sind Kooperationen denkbar. Im Dezember
2019 hatte die Unternehmer-Familie Böllhoff
der Stadt zwei Bronze-Skulpturen der Künstlerin Nina Koch geschenkt, die im Park der
Menschenrechte aufgestellt wurden.

„LEINEWEBER“ (1909) VON HANS PERATHONER, BRONZE

Das Wahrzeichen der Stadt, der Leineweber, steht in Bronze gegossen im Altstädter Kirchpark. Geschaffen wurde es im Jahr 1909 von dem Bildhauer Hans Perathoner, der seit 1907 die Bildhauerklasse an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bielefeld leitete.

Die Patenschaft für die Pflege haben das benachbarte Gymnasium am Waldhof und die Kindermannstiftung übernommen. Durch die Corona-Pandemie werden Parks momentan stärker frequentiert als sonst. „Der öffentliche Raum wird gerade neu verhandelt“, so die Kunstexpertin, die in Köln das Projektbüro „ZERO FOLD“ für zeitgenössische Kunst unterhält. „Das ist eine Riesenchance, dass auch jüngere Menschen mit Kunst interagieren.“ Der Grat zwischen Nutzung und Verunglimpfung kann dabei sehr schmal sein. Chance und Crux zugleich, denn die Objekte befinden sich in einem anderen Kontext als im Museum. Im öffentlichen Raum begegnet einem die Kunst ungefragt. Manchmal wird sie gar nicht wahrgenommen. Der eine mag sich freuen, der andere fühlt sich provoziert. Im Museum ist man durch den Kauf eines Tickets auf die Auseinandersetzung mit Kunst eingestimmt. „Durch die unerwartete Begegnung mit Kunst in der Stadt besteht die Möglichkeit des Innehaltens, dass man vielleicht mal rauskommt aus seinem Alltagsmodus“, beschreibt Birgit Laskowski, welche Bedeutung Kunst im Stadtraum zukommen kann – nämlich gute Räume für Austausch jenseits von ökonomischen Kontexten anzubieten.

„JANUSKOPF“ (2001) VON AXEL ANKLAM
Januskopf oder Das Wagnis der Entscheidung hat Axel Anklam sein Kunstwerk genannt. Die 700 kg schwere Plastik besteht aus rostigem, rötlichem Eisen und steht seit 2001 vor dem Luna, dem Jugend- und Freizeitzentrum in Sennestadt.

„LEIDENSCHAFT FÜR DIE KUNST“ (1985) VON SANDRO CHIA, BRONZE
Auf dem Rathausplatz der Stadt Bielefeld errichtet Sandro Chia 1985 im Auftrag der Stadt die Bronze-Skulptur „Passione per l’arte“ – Leidenschaft für die Kunst.

Darum sollen die existierenden Kunstwerke nicht „nur“ erfasst und katalogisiert, sondern darüber hinaus Konzepte entwickelt werden, wie mit den Kunstwerken gearbeitet werden kann. Das könnte beispielsweise ein kleines Kunstfestival mit den drei beteiligten Städten sein. Oder die Entwicklung einer App mit Informationen zu den Kunstwerken zu touristischen Zwecken, die Besucher der Stadt auf ihren Erkundungsgängen nutzen könnten. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Fest steht: Kunst im öffentlichen Raum ist ein lebendiger Prozess, der niemals abgeschlossen ist. Entsprechend muss ihre Dokumentation ein „living document“ sein, wie es Kulturdezernent Dr. Udo Witthaus nennt.

Birgit Laskowski

Fotos: Klaus Hansen, Kunsthalle Bielefeld, privat

Text: Eike Birck

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