Die neue Spielzeit

Unfassbar real

Als Motto für ihre erste Saison in alleiniger Intendanz hat Nadja Loschky einen Ausspruch gewählt, der sich in den unterschiedlichsten Situationen durch unsere Gedanken zieht – etwa angesichts weltbewegender Ereignisse, die uns mit erschütternder Wucht treffen.

„Unfassbar real“ ist es zum Beispiel, wenn Menschen an die Macht kommen, die die Demokratie gefährden. „Was geschieht in der Welt, welche Mächte spielen dort und wie ändert das womöglich unser Dasein“, fragt die Intendantin. Zugleich betont Nadja Loschky die positive Seite des Mottos: „Es beschreibt ebenso das Außergewöhnliche, das Atemberaubende, das unsere Vorstellungskraft herausfordert. Theater ist ein Medium, das unfassbar real ist – sowohl in seiner unmittelbaren Wirkung auf das Publikum als auch in dem, was es abbildet.“

Die Realitäten, die das Theater Bielefeld in der Spielzeit 2025/26 auf die Bühne bringt, bieten dabei immer wieder Anknüpfungspunkte an brandaktuelle Fragen. Etwa wenn „Reineke Fuchs“ sich in dem gleichnamigen Stück von Goethe (Premiere: 13.9.25) mit Lügen und Intrigen in der Hierarchie immer weiter nach oben manövriert. Oder wenn der hochpolitische Thriller „Kangal“ (23.1.26) von Überwachung und Denunziation erzählt, die von der Türkei bis nach Deutschland reichen.

Die Schauspiel-Sparte startet aber zunächst mit der komischen und mit viel Musik inszenierten Ehekrise „State of the Union“ von Nick Hornby (12.9.25). Inszeniert von Michael Heicks, der dem Theater als Regisseur erhalten bleibt. In „Wutschweiger“ (19.9.25) erlebt dagegen ein junges Publikum ab zehn Jahren, wie sich zwei Jugendliche dank ihrer Freundschaft selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen gegenseitig stärken. Laura Naumann schreibt mit „Schleuderdrama“ (14.11.25) ein neues Stück für das Theater Bielefeld. Es fragt unter anderem danach, wie Verständigung in einer Welt gelingen kann, die wir zunehmend über digitale Konstrukte wahrnehmen. Otfried Preußlers „Kleine Hexe“ (15.11.25) wird das Familienstück zur Weihnachtszeit. „Nach Pipi Langstrumpf freuen wir uns auf die nächste tolle Heldin“, unterstreicht Schauspieldirektor Dariusch Yazdkhasti. Ebenso überzeugt ist er von „Bondi Beach“ (29.11.25): „eine rasante Dialogkomödie, die durch viele aktuelle Diskurse rast.“ Ein erstaunlich aktueller Stoff ist Falladas „Kleiner Mann, was nun“ (24.1.26), der vom Verlust sozialer Sicherheit und dem Abrutschen der Mittelschicht in der Wirtschaftskrise 1932 erzählt.

Basierend auf Interviews mit Bewohnerinnen eines Frauenhauses, Opferschützerinnen und einer Rechtsanwältin verdichtet Felicia Zeller in „Antrag auf größtmögliche Entfernung von Gewalt“ (29.1.26) Lebensgeschichten zu einem bewegenden Theaterstück über häusliche Gewalt. Es folgen „Hotel der Helden“ (13.3.26), eine turbulente Komödie von und mit Georg Böhm sowie das vielschichtige Zeitdokument „Aimée und Jaguar“ (20.3.26) sowie „Herzfaden“ (21.3.26), basierend auf einem Roman über die Augsburger Puppenkiste. Mit „Non-Existent“ (23.5.26) über die Erfahrung von drei ukrainischen Frauen im Exil sowie der spartenübergreifenden Uraufführung „Kritter“ (29.5.26) klingt die Saison im Schauspiel aus. Als Wiederaufnahmen sind „Die Optimistinnen“, „Rosige Aussichten“ und „Wolf“ geplant.

Der Beginn im Musiktheaterspielplan ist märchenhaft. Das Musical „Anastasia“ (20.09.25) erzählt frei nach dem gleichnamigen Animationsfilm von einer abenteuerlichen Reise, von Freundschaft und Gefahr sowie der Suche nach sich selbst. „Der vielfach verfilmte Stoff, der 2016 als Musical Uraufführung feierte, ist für die ganze Familie gedacht“, so Operndirektor Michael Mund. Die erste Opernpremiere, „Peter Grimes“ (11.10.25) ist zugleich der Einstand des neuen Generalmusikdirektors Robin Davis. Benjamin Britten gelang damit sein Durchbruch als Opernkomponist. Es folgen „Die diebische Elster“ (6.12.25) von Rossini sowie die spartenübergreifende Kinderoper „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ (Januar 26). Aus Christa Wolfs „Kassandra“ (21.2.26) wird ein spartenübergreifendes Musiktheater um eine starke Frauenfigur. Im März geht es mit einem klangstarken Spektakel weiter: Ligetis „Le Grand Macabre“ (13.3.26), inszeniert als Lichtspieloper. „Eine musikalisch höchst anspruchsvolle Groteske über die moderne Zeit“, so Robin Davies, der sich auf ein großes Vergnügen und „Instrumente“ wie Autohupen oder Kochtöpfe freut. Außerdem stehen Bernsteins „Candide“ (25.4.26) und „Peter Pan“ (16.5.26) als spartenübergreifende Produktion für Groß und Klein auf dem Programm. Mit Verdis mitreißendem Meisterwerk um Rache, Liebe und Macht – „Der Troubadour“ (13.6.26) – endet die Spielzeit. „Wir wollen zeigen, dass es ein inhaltlich sehr modernes Werk ist, das uns nahe geht“, so Michael Mund. Ein Wiedersehen gibt es mit „Alice im Wunderland“ und „Cabaret“.

In der Tanzsparte weckt Felix Landerer die Lust auf ein „schönes, diverses, humorvolles“ Programm. Gleich zum Start in die Saison serviert er „Food for Thought“ (31.10.25) mit den renommierten Gastchoreograf*innen Roy Assaf, Sarah Balzinger und Isaiah Wilson. Für die zweite Produktion „360 °“ (23.1.26) laden der künstlerische Leiter und die Choreographin Marion Zurbach dazu ein, näher an den Tanz zu rücken. Und zwar so unmittelbar, dass das Publikum Teil des Bühnenbildes wird. Bei der dritten Premiere „Everything will be ok“ (11.4.26) erforscht Felix Landerer das zutiefst menschliche Bedürfnis nach Positivität und Optimismus in einer Welt voller Chaos. Die Saison endet mit der Uraufführung „Carte Blanche“ (Juli 26).

Die Vermittlungsabteilung ergänzt unter dem neuen Claim „Mach mit!“ alle drei Sparten mit eigenen Produktionen – vom Community-Dance-Projekt „Schrittmacher“ über den Jugendclub bis zur Reihe „Parallele Welten“.

Weitere Infos im kostenlos ausliegenden Spielzeitheft sowie unter www.buo-bielefeld.de/theater

Foto: Sarah Jonek, Joseph Ruben

LESELUST


Sie eint die Liebe zum Buch. Mit unterschiedlichen Lesungen wecken Bielefelder Kulturveranstalter*innen die Lust am Buch und an Literatur. Ob Einzelveranstaltung, kurze Reihe oder in Festivallänge – wir stellen die Menschen dahinter vor und verraten Ihnen, wo die Buchstaben im Kopf zu Bildern werden. Seite für Seite.

SchLaDo


Das Kürzel steht für den „Schönen langen Donnerstag“. Das buntgemischte Programm der Gütersloher Kleinkunstreihe überzeugt mithinreißenden Comedians, geistreichen Kabarettisten und musikalischenWortakrobaten. Am 1. Oktober gibt René Steinberg den Startschuss für…

Bielefelder Kulturpreis 2023 FÜR SABINE FELDWIESER


EIN MAL IM JAHR WIRD SABINE FELDWIESERS KÜCHE ZUM AUSTRAGUNGSORT LEBHAFTER DISKUSSION, BEI DER ES UM LITERATUR GEHT.

Die Kulturstadt von morgen


„IM MOMENT IST KULTUR DURCH CORONA GEPRÄGT, DENNOCH GEHT ES DARUM, DIE WELT WEITERZUDENKEN UND VISIONEN VON EINER KULTURELLEN ZUKUNFT ZU ENTWICKELN“, ERKLÄRT JOHANNA TROCKELS