Überleben

„Ich liebe meine Arbeit noch immer. Bei meinen Reisen lerne ich andere Menschen und Kulturen kennen, komme ihnen nah. Das bereichert mein Leben. Denn auch im Chaos von Überschwemmung, Erdbeben und Krieg gibt es  Mut machende Geschichten“, berichtet der Herforder Fotograf, der seit 34 Jahren die Hilfsorganisation Cap Anamur begleitet und ihre Arbeit in den Katastrophenregionen der Welt dokumentiert. 

Bilder haben auch heute noch eine unglaubliche Kraft und sagen mehr als Worte. Ich möchte, dass sich unser Denken hier verändert. Ich zeige mit meiner Arbeit zum einen, wie Hilfe geleistet wird, aber auch immer das Alltagsleben der Menschen, ihre Kultur, auf die sie zu Recht stolz sein dürfen.“ Die Ausstellung in der Kommunalen Galerie im Kulturamt Bielefeld zeigt beeindruckende Fotografien von der Nothilfearbeit von Cap Anamur – berührende Impressionen aus Bangladesch, Nepal, Nordkorea, Somalia, Afghanistan, Sierra Leone, Haiti, der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan. Jedes Bild erzählt eine Geschichte. Und es gibt immer auch eine Geschichte dahinter, wie das Foto entstanden ist.
Einer seiner ersten Aufträge nach dem Studium an der FH Bielefeld führte den Fotojournalisten zusammen mit Karlheinz Böhm 1985 nach Äthiopien. Jürgen Escher musste mit ansehen, wie Kinder vor seiner Kamera verhungerten. Wie hält man das aus? „Wie hält man das aus, nichts zu tun?“, entgegnet er. „Man muss den Wahnsinn abbilden. Ich kann mit meiner Kamera lachen, weinen oder schreien. Wenn niemand dokumentieren würde, wie es in den Kriegs- und Krisenregionen aussieht, würde sich an der Situation der Menschen nichts ändern. Ich möchte ihnen eine Stimme geben. Außerdem bin ich in der glücklichen Position auf Seiten der Helfenden zu sein. Anders als andere Fotojournalisten, die nur für ein, zwei Tage eingeflogen werden, lebe ich in den Dörfern und bleibe oft mehre Wochen.“
Intensive Momente
So entstehen Fotos, die von großer Nähe zu den Menschen zeugen. Eine Hochzeit auf Trümmern nach dem Erdbeben in Nepal, aber auch ein ausdruckslos-resigniertes Kindergesicht in Nordkorea, das auf eine leere Reisschüssel blickt. „Das Kind haben wir wegen Unterernährung sofort in ein Krankenhaus bringen lassen“, erzählt Jürgen Escher. „Cap Anamur ist eine der wenigen Organisationen, die im abgeschotteten Nordkorea helfen durfte. Ich bin als Dokumentarist eingereist, nicht als Journalist, und habe die Reisverteilung in dem bettelarmen Land beaufsichtigt, um zu vermeiden, dass die Nahrungsmittel in die Hände des Militärs fallen.“ Auf seiner Reise hatte er in der Person des Dolmetschers immer einen Aufpasser dabei, die staatliche Kontrolle der gesamten Bevölkerung ist allgegenwärtig. In Afghanistan ist die Säuglings- und Kindersterblichkeit sehr hoch. Dort begleitete Jürgen Escher die von Cap Anmur initiierte Hebammen- und Krankenschwesterausbildung. Nach dem Erdbeben in Haiti, wo kein Stein mehr auf dem anderen stand, lichtete er eine junge Frau vor einem komplett zerstörten Haus beim Stillen ihres Kindes ab. „Das ist für mich das Symbol für Überleben.“
Sensibel bleiben
Aber es gibt auch Grenzen, was der 66-Jährige zeigt und was nicht. In Sumatra nach dem Tsunami sah er aufgedunsene Wasserleichen. Den Geruch wurde er nicht mehr los, hat seine Kleidung verbrannt. Was bildet man aber ab? „Ich bin in all den Jahren dünnhäutig geblieben. Ich frage mich jedes Mal, was ich mit dem Bild erreichen möchte. Ist das Grauen so groß, dass niemand hingucken mag, habe ich mein Ziel verfehlt“, skizziert er den schwierigen Entscheidungsprozess. „Dann muss ich eine Metapher finden. In diesem Fall habe ich die aufgereihten Leichensäcke fotografiert. Wenn ich allerdings nicht an Grenzen rangehe, dann habe ich meinen Beruf verfehlt. Dabei darf ich Grenzen jedoch nicht überschreiten. Wenn jemand nicht fotografiert werden möchte, dann respektiere ich das.“
2004 schrieb Jürgen Escher, der bereits diverse Bildbände veröffentlicht hat, in einem Beitrag über die Seerettung im Mittelmeer vor Sizilien, dass er sich schäme, Europäer zu sein. Denn das Schiff, auf dem er sich mit 36 Bootsflüchtlingen befand, durfte nicht in den Hafen einlaufen. 15 Jahre später wird die Öffentlichkeit mit einer ähnlichen Situation konfrontiert. Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete widersetzt sich dem Verbot, steuert den Hafen von Lampedusa mit 40 Geflüchteten an und wird verhaftet. „Nicht die Geflüchteten sind das Problem, sondern wir“, sagt Jürgen Escher. „Wir brauchen eine europäische Lösung. Unsere Gesellschaft muss sich bewegen. In Kanada beispielsweise geht man ganz anders mit Geflüchteten um. Dort werden die Menschen an die Hand genommen und multikulturell begleitet. Ihnen wird verdeutlicht: Ihr seid ein Teil unserer Gesellschaft.“

FRAUEN IN DER FOTOGRAFIE


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