Stimmt so!
Sie umfasst mehrere Oktaven. Kommt bei der Klangerzeugung ganz ohne Tasten, Saiten oder Klappen aus. Sie kann laut oder leise, schrill oder wohltönend. Die Landesmusikräte haben sie 2025 zum Instrument des Jahres gewählt. Die menschliche Stimme ist das älteste und vielseitigste Instrument der Welt, das Sprache ebenso wie Musik transportieren kann. Sie begeistert auch Jessica Löbbe und Alexandra Ionis.

Seitenwechsel
Alexandra Ionis
„Die Stimme ist der allerdirekteste Kontakt von Seele zu Seele, direkter geht es nicht“, unterstreicht Alexandra Ionis. „Wenn jemand die Fähigkeit besitzt, seine Emotionen mit der Stimme zu transportieren, haut mich das als Zuhörerin jedes Mal um und ich kriege Gänsehaut.“ Ihr größter Wunsch als Sängerin: selbst dieses Gefühl beim Publikum auszulösen.
Weg zum Gesang war eher ungewöhnlich. „Ich habe nicht schon als Kind im Chor gesungen, sondern habe mit acht Jahren angefangen Klavier zu spielen und schnell Erfolg gehabt“, erinnert sich Alexandra Ionis. Doch dann gab es zwei Momente, die ihr die Türen für den Gesang geöffnet haben. Der eine war der Wettbewerb „Jugend musiziert“, den sie am Klavier gemeinsam mit einem Bariton gewonnen hat. „Da habe ich gedacht: Vielleicht stehe ich auf der falschen Seite.“ Der zweite traf die Berlinerin mit großer Wucht, als sie von einer Freundin, die ein Schulpraktikum an der Deutschen Oper absolvierte, Karten geschenkt bekam. An die Vorstellung der Oper „Die tote Stadt“ kann sie sich noch heute bis ins Detail erinnern. „Ich fand unglaublich, was da mit mir passiert. Bis dahin habe ich gar nicht gewusst, dass Gesang ein Beruf sein kann, aber ich habe gespürt, dass ich das auch will und mich ausdrücken muss.“ Dieses einschneidende Erlebnis beschreibt sie als eine Art „Calling“. „Es ruft einen so rein“, lacht die sympathische Sängerin. „Das ist keine bewusste Entscheidung, sondern etwas, das mit einem geschieht.“
Neben dieser inneren Überzeugung stecken hinter dem Weg zur professionellen Opernsängerin aber vor allem harte Arbeit und „unzählige Stunden an Übungen und Scheitern“, so die Sängerin. „Das ist ein langer Prozess, der auf vielen Ebenen passiert. Man muss sich als Mensch öffnen, einen Zugang zu sich finden. Das ist ein sehr sensibler, verletzlicher Zustand.“ Deshalb ist die Psyche ebenso wichtig wie Musikalität. Aber auch ein gutes Körpergefühl ist Grundvoraussetzung für ihren Beruf. „Man muss sich spüren. Denn sobald man Dinge bewusst tun muss, sind sie gar nicht mehr so selbstverständlich. Das Atmen zum Beispiel, das eine Richtung haben muss und man muss den Atem länger halten als bei einem normalen Gespräch. Die Stimme wird zum Instrument, sobald man diese Dinge abrufen kann.“

Am Theater Bielefeld, zu dessen Ensemble sie seit 2023 zählt, gibt Alexandra Ionis auch Unterricht. „Ich bin jetzt das zweite Jahr Mentorin des Bielefelder Opernstudios. Die Anfrage hat mich zuerst überrascht, aber mittlerweile traue ich mir das zu, weil ich zehn Jahre Berufserfahrung habe und dabei viele Höreindrücke sammeln konnte. Aber man muss ein bisschen Demut haben. Nicht jeder, der meint singen zu können, muss seinen Senf dazugeben“, lacht die Mezzosopranistin. Auch sie selbst nimmt weiterhin Unterricht. „Man ist nie fertig“, so ihre Überzeugung, „sondern sollte sein Leben lang offen sein für gute Mentoren.“
Nicht zuletzt, weil sich die Stimme kontinuierlich verändert. „Der Kern der Stimme und ihre Farbe bleiben. Wenn ich Aufnahmen von meinem 21-jährigen Ich höre, dann kann ich mich erkennen, aber es sind viele Schichten dazugekommen. Eine dramatische Stimme wie meine braucht viele Jahre, bis sie sich entfaltet hat. Heute ist mein Ambitus – die Spannweite zwischen dem tiefsten und höchsten Ton – sehr groß. Und mit der Geburt meines Kindes habe ich noch mehr Volumen bekommen.“ Das demonstriert sie – neben ihrem Engagement in Bielefeld – gerade in Bayreuth. „Da ist jede Probe ein Highlight“, schwärmt Alexandra Ionis. „Ein wirklich magischer Ort. Ich hätte mir niemals träumen lassen, einmal dort zu singen.“ Aber auch mit den Kolleg*innen in Bielefeld zu arbeiten, ist für sie ein „richtiges Fest“. Hier steht sie zu Beginn der Spielzeit 2025/26 wieder als Herzkönigin in „Alice im Wunderland“ auf der Bühne des Stadttheaters. Eine gute Gelegenheit, Musik nicht nur zu streamen, sondern live zu erleben, was der Sängerin ein großes Anliegen ist. „Wenn der Schall einer Stimme in Echtzeit das Ohr eines anderen Menschen erreicht“, so ihre Überzeugung, „ist das durch nichts zu ersetzen.“
Biografie
Die in Moldawien geborene und in Berlin aufgewachsene Mezzosopranistin studierte an der Universität der Künste Berlin, am Mailänder Conservatorio di musica Giuseppe Verdi und war Mitglied im International Opera Studio der Accademia nazionale di Santa Cecilia. Ihre Liebe zur Neuen Musik vertiefte sie bei Produktionen wie Widmanns „Babylon“ und Reimanns „Gespenstersonate“an der Staatsoper Unter den Linden Berlin. Zu den Highlights der vergangenen Spielzeiten zählen ihr Debüt bei den Bayreuther Festspielen 2024 als 2. Norn („Götterdämmerung“) und Siegrune („Die Walküre“) mit Simone Young sowie als Mary in der Kinderoper „Der fliegende Holländer“. Simone Young holte sie im Winter 2024 als Fricka in die konzertante „Walküre“-Produktion nach Sydney.
Alexandra Ionis wurde 2018 Stipendiatin des Richard-Wagner-Verbandes. Ihr Konzertrepertoire beinhaltet Werke von Pergolesi, Bach, Rossini, Verdi, Mahler, Schönberg, Schostakowitsch, Ravel, Tschaikowsky, Prokofjew und Rachmaninow. Seit 2023 ist die Sängerin Ensemblemitglied des Theaters Bielefeld, wo sie unter anderem als Anaïde in Leoncavallos „Zazà“, Giulietta & Stimme der Mutter in „Hoffmanns Erzählungen“, Katerina (Magdalena) in Martinůs „Die griechische Passion“ sowie als Herzkönigin in Pierangelo Valtinonis „Alice im Wunderland“zu erleben war bzw. ist.
Einklang
Jessica Löbbe
Sie kann nicht anders. Den gehauchten Sound von Billy Eilish oder das kraftvolle „Schmettern“, das Belting, von Soul-Ikone Aretha Franklin – Jessica Löbbe nutzt ihre Stimme, um Gesprochenes in Sekundenschnelle in Gesang zu verwandeln. Mitten im Gespräch. Dabei teilt sie ihre Begeisterung für die menschliche Stimme, zeigt deren Bandbreite und spiegelt die Ausdrucksmöglichkeiten, die das Singen bietet.

Wenn der K2, der Roundabout der Musikschule POW!, der Frauenchor Contadonna oder die Young Voices Lieder aus Peru singen, liegt das an Jessica Löbbe. Sie hat die Songs nach ihrem Freiwilligendienst an einem Mädcheninternat in Peru mit nach Bielefeld gebracht. „Ich liebe die Lieder. Der Aufenthalt in Peru hat mein Leben sehr bereichert. Es tat mir nach dem Abi einfach gut. Vor allem aber halte ich es generell für wichtig, zwischendurch den Kontext zu ändern“, erklärt die heute 32-Jährige rückblickend. Das gemeinsame Singen, der Chorklang, begeistert sich nach wie vor. Und so leitet sie mit Enthusiasmus und Begeisterung einige Bielefelder Chöre leitet, arbeitet zudem als Vocal Coach und hat gerade ihren dritten eigenen Song veröffentlicht.
„Instrumente und die menschliche Stimme mit ihren unterschiedlichen Facetten – speziell bei Musiker*innen – haben mich schon immer fasziniert“, erzählt Jessica Löbbe. Und so war es für sie logisch, dass sie während ihrer Grundschulzeit mit dem Gitarre spielen begann. Die Stimme als Begleitinstrument einzusetzen, als Teenager mit vier anderen Mädels eine Band zu gründen – längst hat sie in einer Vielzahl von Bandformaten gesungen – und Musik starker Frauen wie Aretha Franklin zu hören, machte ihren Alltag aus. „Musik berührt mich emotional und ist für mich immer schon ein Weg gewesen, um das, was mich bewegt, auszudrücken. So, wie Aretha Franklin mit ihrer Musik „RESPECT“ für Frauen eingefordert und in ihren Songs zum Ausdruck gebracht hat, um zu unterstreichen, wo ihr Platz in der Welt ist“, betont die Bielefelder Soul- und Popsängerin. Denn: Musik bietet die Möglichkeit Emotionen zu verarbeiten, einen Ausgleich zu schaffen, sich mitzuteilen.
Ihre Leidenschaft für Musik führte sie erst nach Freiburg, wo sie Jazz und Pop Gesang mit dem Schwerpunkt Songwriting, Arrangement und Producing an der Hochschule für Kunst, Design und populäre Musik studierte. „Natürlich habe ich auch im Studium gesungen und Chor-Workshops geleitet“, erzählt sie. Am Complete Vocal Institute in Kopenhagen ließ sich Jessica Löbbe im Anschluss von Cathrine Sandolin, sie nimmt weltweit eine führende Rolle in der Stimmforschung ein, zur zertifizierten Stimmbildnerin ausbilden. „Wie gesundes Singen funktioniert, ist spannend. Aber auch, verschiedene Sounds einzusetzen, wenn man weiß, wie“, sagt die Chorleiterin. Sie beherrscht die Bandbreite verschiedenster Sounds – laut, leise, sanft oder mit Effekten. Denn: Unsere Stimme kann die unterschiedlichsten Töne produzieren. „Die menschliche Stimme lässt sich mit keinem anderen Instrument vergleichen. Sie ist etwas sehr, sehr persönliches. Wir zeigen ganz viel von uns, wenn wir singen“, macht die Bielefelderin deutlich. Sie ist überzeugt: „Nicht jeder kann singen, aber jeder kann singen lernen. Auch in einem Rahmen, der vorher nicht vorstellbar war.“ Grundvoraussetzung ist für sie die Freude am Singen. „Mit jedem Lied, das man singt, entstehen neue Möglichkeiten, sich im Tönen und Harmonien wiederzufinden“, bringt sie die Faszination des Singens auf den Punkt. „Das ist das Schöne und Beeindruckende zugleich.“ Ein Erlebnis, das ganz besonders auch beim Singen im Chor spürbar wird. „Daran zu arbeiten, dass alle gemeinsam synchron singen, ist fasziniert. Wenn wir als Chor ‚I am light‘ singen, erfüllt das den ganzen Raum, schafft Identifikation, Energie und Verbundenheit mit der Musik und den Menschen“, unterstreicht die 32-Jährige. Die vielfältigen Möglichkeiten der Bielefelder Chorlandschaft weiß sie zu schätzen. „Da ist für jeden etwas dabei. Und besonders schön: Bei der letzten Nacht der Chöre standen wir mit drei Frauen – ebenfalls Chorleiterinnen – und einem Mann auf der Bühne“, so Jessica Löbbe. Befreit in einer großen Gruppe zu singen. Dafür ist ein Chor der richtige Ort. Den Einwand vieler Nicht-Singender, sie sängen schief, entkräftet Jessica Löbbe gern. Häufig sind es Verspannungen oder auch negative Erfahrungen, die Menschen hemmen. „Allerdings gibt es dann einige Möglichkeiten, die Menschen abzuholen“, weiß Jessica Löbbe, die als Vocal Coach mit Anfänger*innen und Fortgeschrittenen gleichermaßen arbeitet. Ihre Kompetenzen im Bereich Gesangstechnik und -lehre sowie Stimmbildung bringt sie auch ein, wenn Menschen gesundheitliche Probleme haben, beispielsweise oft heiser sind, weil sie ihre Stimme nicht richtig nutzen.
Jessica Löbbe, die als Chorleiterin, Vocal Coach, Sängerin, Songwriterin und Arrangeurin unterwegs ist, hat jetzt ihren dritten eigenen Song („Einstück“) auf Spotify und anderen gängigen Streaming Plattformen veröffentlicht (Jessi Loe). „Mein Soloprojekt passt zum Soul-Pop Genre mit Jazz Elementen“, freut sich die 32-Jährige, die die Vielfalt ihrer musikalischen Arbeit mag. „Die Harmonien verraten, dass ich auch Jazz studiert habe.“ Auch für ihre Chöre – vom Roundabout der Musikschule POW! über die Young Voices und den K2 (der ehemalige Knebelchor) bis hin zum Frauenchor Contadonna – arrangiert sie die einzelnen Stücke. „Im weitesten Sinne ist es Popmusik“, fasst Jessica Löbbe das Repertoire der Chöre zusammen, die gemeinsam die peruanischen Kirchenlieder anstimmen.
25.10.25 K2 – Jubiläumskonzert zum 15-jährigen Bestehen mit vier Chören, Neue Schmiede
5.12.25 Roundabout, Soul und Pop Konzert, Waldhofgymnasium
7.12 25 Cantadonna, Weihnachtskonzert, St. Hedwidsgemeinde (Heepen)
14.12.25 Young Voices, Weihnachtskonzert, Pauluskirche
7.2.26 Roundabout bei „Nacht der Chöre“ in der Oetkerhalle