ROBIN DAVIS

WOFÜR MAN IM HERZEN BRENNT

Ein roter Faden für seine erste Spielzeit in Bielefeld hat sich regelrecht aufgedrängt: Es wird eine Saison der Jubiläen. Dass sein Einstand als Generalmusikdirektor der Bielefelder Philharmoniker ausgerechnet mit dem 125. Geburtstag des Orchesters zusammenfällt, freut ihn ganz besonders. „Das ist mir eine Ehre“, unterstreicht Robin Davis. Wichtig ist ihm außerdem: „Ich möchte dem Bielefelder Publikum zeigen, wer ich bin und wofür mein Herz schlägt. Deshalb habe ich für die ersten beiden Symphoniekonzerte meine Lieblingsmusik ausgesucht.“

Dass er einmal Werke von Elgar, Rachmaninow oder Mozart dirigieren würde, die neben anderen in den ersten Konzerten erklingen, ist allerdings gar nicht so selbstverständlich. „Mein Lieblingsfach war immer Mathematik, Musik habe ich in der Schule früh abgewählt“, verrät Robin Davis lachend. Als Hobby ist er ihr aber treu geblieben. „Zur Klassik bin ich durch den Klavierunterricht gekommen. Meine Eltern sind Musikliebhaber und wollten mir Türen öffnen.“

Gerne geübt hat er damals nicht, aber umso lieber gespielt. „Am Klavier war Chopin immer mein Herzenskomponist, Rachmaninow war auch groß dabei. Als Schüler habe ich mich in seine Klavierkonzerte verliebt. Später kamen andere Instrumente dazu wie die Geige. Die hat mir die Welt der Orchestermusik geöffnet und die Orgel die Welt der Kirchenmusik.“ Neben Klassik hat ihm vor allem Gospelmusik gefallen. „Das ist so eine ehrliche, direkte Art zu musizieren und es stecken große Emotionen darin. Das spricht mich sehr an.“

Obwohl die Musik ihn stets begleitet hat, entschied sich Robin Davis für ein Mathematikstudium in Cambridge, das er auch abgeschlossen hat. Währenddessen merkte er aber, dass er immer mehr Zeit mit Musizieren verbrachte. „Dann habe ich gedacht: Das Leben ist zu kurz, um nicht das zu machen, wofür man im Herzen brennt“, erinnert sich der sympathische Brite. Wobei er durchaus Verbindungen zwischen den Disziplinen sieht. „Mathematik ist für mich auch eine Kunst. Hinter vielen Konzepten in der Mathematik stecken wunderschöne, romantische Ideen. Als Dirigent wiederum muss man sich mit Musik analytisch auseinandersetzen, ihre Struktur verstehen. Das analytische Denken, die Prozesse im Gehirn haben viel gemeinsam.“

Gut durchdacht ist Robin Davis den nächsten Schritt gegangen. Ein Kontaktstudium führte ihn nach Deutschland. Ins „Land der Musik“, das ihn mit seinen zahlreichen Opernhäusern und Profi-Orchestern begeistert. Das Auslandssemester in Freiburg erfüllte ihm noch einen anderen Wunsch. „Meine Eltern sind Lehrer für Deutsch und Französisch und ich wollte eine der beiden Sprachen perfekt lernen.“ Dass Deutschland langfristig seine Heimat werden würde, war dagegen nicht geplant. „Ich habe immer von einer Hütte in Südwestengland geträumt“, sagt der Generalmusikdirektor schmunzelnd. „Aber in Deutschland habe ich meine zukünftige Frau kennen gelernt.“ Nach dem Studium an der Royal Academy in London haben beide ein gemeinsames Engagement in Dortmund bekommen. „Das ist ein großes Glück für ein Musikerpaar“, betont Robin Davis, dessen Frau Angela Sopranistin ist.

Nach weiteren Stationen unter anderem in Oldenburg und Pforzheim, wo er zum Zeitpunkt des Interviews noch mit seiner Frau und den beiden Töchtern lebt, steht jetzt der Umzug nach Bielefeld an. „Ich hatte sofort das Gefühl, die Stelle könnte sehr gut zu mir passen. Das ist genau meine Art von Orchester“, betont Robin Davis. Besonders beeindruckt ist der GMD von der großen Bandbreite des Programms und der Vermittlungsarbeit. Neben den Symphonie- und Kammerkonzerten freut er sich auf die Kollaborationen im Jazzbereich. Ebenso wichtig sind ihm die Kinder- und Jugendkonzerte. „Bereits während des Studiums habe ich gerne mit Kindern gearbeitet und in Oldenburg das Jugendorchester geleitet“, so Robin Davis. „Und seit wir selbst Kinder haben, ist das noch mehr zu einem Herzensprojekt geworden.“ Er ist überzeugt, dass Musik hilft, mit Problemen im Leben klarzukommen. „Ich habe selbst oft langsame Sätze von Klavierkonzerten rauf und runter gehört, wenn ich eine stressige Zeit hatte. Da finde ich immer Trost, das beruhigt mich sofort, vor allem Chopin.“

Ein weiteres Anliegen, das in seinem Spielplan sichtbar wird, ist die Aufhebung von Grenzen etwa zwischen alter und neuer Musik, Klassik und Jazz. „Ich vergleiche ein Konzert gerne mit einem Restaurantbesuch: Man möchte unterschiedliche ‚Gänge‘ haben. Nicht nur einen Komponisten oder eine Epoche, sondern verschiedene.“ Gerade weil die Spielzeit so vielfältig wird, fällt es Robin Davis schwer, drei Highlights auszuwählen. „Nur drei? Das ist schwierig“, lacht der GMD. „Ich freue mich auf jedes Konzert, denn wir haben ein wunderbares Programm.“ Dann entscheidet er sich doch für seinen Einstand als Dirigent in Bielefeld, den er noch vor den Symphoniekonzerten im Musiktheater geben wird. „Ich habe immer gehofft, einmal ‚Peter Grimes‘ von Benjamin Britten machen zu können. Der Vorschlag kam nicht von mir, aber er hat mich sehr gefreut. Die Komposition ist intelligent, akademisch und zugleich sehr emotional, ein unglaubliches Werk.“ Im Symphoniebereich entscheidet sich Robin Davis für Mahlers 4. Symphonie. „Die ist wie eine Sommerbrise und strahlt eine unglaubliche Wärme aus. Wir spielen sie im Mai 2026 beim Jubiläumskonzert.“ Passend, denn sie ist genau so alt wie das Orchester. Wer Robin Davis dagegen als Musiker kennenlernen möchte, sollte sein drittes Highlight nicht verpassen. „Das Klaviertrio ist meine Lieblingsform im Kammermusikbereich, und ich freue mich wahnsinnig darauf, beim 8. Kammerkonzert selbst zu spielen.“

Biografie

Im englischen Exeter geboren, schloss Robin Davis zunächst ein Mathematikstudium an der Cambridge Universität ab, bevor er an der Royal Academy of Music in London Klavierbegleitung bei Michael Dussek studierte. Sein erstes Engagement bekam er 2009 als Solorepetiteur am Theater Dortmund, wo er auch als Solist mit den Dortmunder Philharmonikern auftrat. Während dieser Zeit studierte er Dirigieren bei Ekhart Wycik und wechselte 2011 an das Oldenburgische Staatstheater als Kapellmeister und Assistent des GMDs. Nach Stationen als erster Kapellmeister am Theater Lüneburg und am Salzburger Landestheater wurde er 2020 zum Generalmusikdirektor am Theater Pforzheim berufen. Zur Spielzeit 2025/26 wechselte er zu den Bielefelder Philharmonikern.

Text: Stefanie Gomoll
Fotos: Joseph Ruben, Sebastian Seibe

DIGITALE SPUREN


DURCH DIE PANDEMIE ENTWICKELTEN SICH KUNST UND KULTUR IMMER MEHR ZUM DIGITALEN ERLEBNIS. MUSEEN, THEATER, KONZERTSÄLE, OPERNHÄUSER UND MUSIKER*INNEN – ALLE STARTETEN DIGITAL DURCH, UM DAS PUBLIKUM AUF DEM SOFA ZUHAUSE ZU ERREICHEN. WAS BLEIBT DAVON UND SIND AUCH KÜNFTIG HYBRIDVERANSTALTUNGEN AUS ANALOG UND DIGITAL DENKBAR? WIR HABEN AGNETHA JAUNICH UND DIRK REHLMEYER NACH IHREN ERFAHRUNGEN UND EINSCHÄTZUNGEN GEFRAGT.

Dhélé Tchekpo Agbetou


ER IST DER JÜNGSTE KULTURPREISTRÄGER DER STADT. „ICH FREUE MICH EXTREM ÜBER DIE AUSZEICHNUNG UND DAS GESEHEN WERDEN“, SAGT DHÉLÉ TCHEKPO AGBETOU.

NEUE NAMEN


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Seit vielen Jahren steht die Reihe „Neue Namen“ im Kleinen Saal der Rudolf-Oetker-Halle für außergewöhnliche (Neu)Entdeckungen. Junge Künstlerinnen und Künstler, ausgewählt von Konzertveranstalter Till Schoneberg.