Hall of Fame-Hier darf gesprüht werden!

Darauf haben die Vereinsmitglieder von hoch2 fast sieben Jahre hingearbeitet: eine Hall of Fame für Graffiti-Kunst an einem zentralen Ort in Bielefeld. „An einem Dienstag Ende Februar 2025 kam die Nachricht, dass wir loslegen dürften“, erinnern sich Frederik Brockmeyer und Christian Müller. Kurzerhand trommelten sie Künstlerinnen und Künstler für eine Erstbemalung zusammen. Seither entdecken Passanten und Besucher bei einem Spaziergang an der Open-Air-Galerie an der Mindener Straße fast täglich neue Kunstwerke.

Denn die Bilder werden ständig übermalt. Die Vergänglichkeit ist ein Wesen der Kunstform, die lange mit Schmierei und illegalem Sprayen assoziiert wurde. „Wenn eines meiner Bilder eine Woche zu sehen ist, ist das schon lang“, sagt Frederik Brockmeyer, der gern klassisches Graffiti der „New Yorker Schule“, insbesondere Buchstaben, sprüht. Christian Müllers Fokus liegt auf dem Figürlichem.

Offiziell eingeweiht samt großem Rahmenprogramm wurde die „Hall of Fame“ im Juli 2025. Der Name ist auf den ersten Blick irreführend, denn die fest aufgestellten Betonwände stehen natürlich im Freien. Der Begriff kommt ebenfalls aus der Stadt, die niemals schläft, denn so wurde in der US-amerikanischen Metropole die erste Wand genannt, die legal verschönert werden dufte. „Die Bielefelder Hall ist etwas Besonderes, allein schon durch die massive Bauweise wie die Berliner Mauer. Das ist bundesweit relativ einzigartig“, betont Frederik Brockmeyer.

Legal, massiv und einzigartig

Bielefelds Hall of Fame befindet sich in dem Grünzug unterhalb der Bahngleise. Betonelemente mit unterschiedlichen Formaten bilden die großflächige Galeriewände. Auf insgesamt 276 Quadratmetern darf legal gesprayt werden. Wer Lust hat, kann einfach vorbeikommen. Eine Koordination der Fläche gibt es nicht, das stünde im Widerspruch zum Selbstverständnis der Szene. „Das regelt sich normalerweise von allein“, sagt Christian Müller. „Es gibt ein paar Verhaltenscodices. Normalerweise übersprühen beispielsweise Anfänger nicht gleich sehr aufwendige Bilder.“ Es darf übrigens nicht „nur“ gesprüht werden. Auch wer zum Pinsel greifen möchte, ist herzlich willkommen. „Wir pflegen einen offenen Kunstbegriff“, so Christian Müller.

Für hoch2 war es wichtig, die Hall of Fame an einem zentralen Ort zu realisieren. „In Bielefeld gibt es nicht viele geeignete hohe Fassaden – und manche sind bereits von Werbung belegt“, erklären die Vereinsmitglieder. Bald war klar: Nur die Mindener Straße kommt infrage – gut sichtbar, gut erreichbar, auch für Gäste von außerhalb. Graffiti bringt Farbe in die Stadt und gestaltet sie aktiv mit – wie jede Kunstform im öffentlichen Raum. „Die Hall ist ein sozialer Ort, der Begegnung und Austausch ermöglicht“, erklärt Frederik Brockmeyer.

Lebendige Stadtkultur

Um Nachwuchs muss sich die Graffiti-Szene keine Gedanken machen. Nach Freigabe der Wände waren sofort viele junge Menschen vor Ort – darunter 10- bis 12-Jährige mit überraschend viel Erfahrung. „Die hatten wir gar nicht auf dem Zettel“, sagt Frederik Brockmeyer. Interesse und Akzeptanz sind heute keine Frage des Alters mehr – beides hat in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Eine Erfahrung, die das Team von hoch2 bereits 2014, bei der ersten großen Aktion des seinerzeit gerade erst gegründeten Vereins, gemacht hat. „Wir haben uns damals beim 800-jährigen Stadtjubiläum eingeklinkt und im Vorfeld beim AStA und StuPa der Uni Bielefeld Fördergelder für eine Veranstaltung beantragt. Wir haben 20.000 Euro bekommen und damit ein 17-tägiges Graffiti-Festival organisiert.“ Hausbesitzer wurde angeschrieben, ob sie sich vorstellen könnten, ihre Hausfassade zur Verfügung zu stellen. Die Reaktionen darauf waren durchaus unterschiedlich.

„Einige haben uns einen Vogel gezeigt. Aber andere waren begeistert. Wie eine ältere Dame, die sofort auf unser Schreiben reagiert hat, weil ihre Tochter Graffiti aus NewYork kennt und das gut findet“, so Frederik Brockmeyer. Für das Festival wurden renommierte Künstlerinnen und Künstler nach Bielefeld eingeladen, die die zur Verfügung stehenden Hausfassaden frei gestalten durften.

Diese Kunstwerke verschwanden nicht so schnell wie so manches kleines Graffiti an einer Wand. Es wurden Verträge geschlossen, dass das Bild mindestens drei Jahre zu sehen sein sollte. Im Bielefelder Stadtgebiet gibt es sogar Werke, die mittlerweile zehn Jahre und älter sind. „Ein großes Graffiti ist ein guter Schutz vor schlechten Sprayern“, sind sich die beiden Künstler einig.

Sehr dankbar sind Christian Müller und Frederik Brockmeyer, dass die Hall of Fame nach langen Planungen Wirklichkeit wurde. „Unser Glück war, dass Frau Brand vom Kulturamt unsere Ideen von Anfang an unterstützt hat. Das hat es für uns leichter gemacht.“ So warb die engagierte Kulturamtsleiterin u. a. Fördergelder vom Heimatministerium für die Hall ein. Für den Verein hoch2 ein Ritterschlag, denn damit wurde die Graffiti-Kunst als Kulturgut deklariert. „Das war eine tolle Gemeinschaftsleistungen der Sprayer-Szene zusammen mit der Stadtverwaltung und der Politik“, resümiert Christian Müller, der die Offenheit der Beteiligten lobt. „Graffiti wird nicht als Problem gesehen, das dem Jugendamt zugeordnet wird, sondern als Kunstform.“ Das Ergebnis, die Hall of Fame, spricht Wände.

Text: Eike Birck
Fotos: Sebastian Lemme, Daniel Marquart

Spektrum – JOSEF SCHULZ


So erhält die Architektur einen skulpturalen Charakter“, sagt Josef Schulz. Der erstaunliche Effekt zeigt sich, wenn selbst Bielefelderinnen das markante Sennestadthaus nicht auf Anhieb erkennen.

Große Erwartungen


Die Realität des Steckrübenwinters 1919 in Berlin trifft in „Madame Dubarry“ auf das elegante Rokoko eines märchenhaft imaginierten vorrevolutionären Zeitalters. Ernst Lubitsch zeigt den Aufstieg und Fall einer jungen Hutmacherin zur Mätresse des französischen Königs und mächtigsten Frau Frankreichs. „Die Stadt ohne Juden“ von K. H. Breslauer hingegen ist ein Titel, der uns heute das Blut in den Adern gefrieren lässt. 1924 gedreht, nach fast 100 Jahren wiederentdeckt und restauriert, nimmt der Film zum ersten Mal überhaupt das Thema Antisemitismus auf und setzt es in eine satirische Dystopie von unfassbarer Hellsichtigkeit über die Hetze gegen Juden um. Anders als in der Realität wenige Jahre später geht die Filmgeschichte jedoch besser aus. Der Massenhysterie folgt die Ernüchterung. Ohne Juden wird alles schlimmer in Utopia. Weiter geht’s mit dem „Kino für Kurze“, einem amüsanten Kurzfilmprogramm für die ganze Familie, gefolgt von „The Goose Woman“.

MUSIKSCHULE POW!


Nach dem Ausfall der Konzerte im Frühjahr ist Land in Sicht: am 3.12. geht es für die Schülerinnen und Schüler jeden Alters wieder auf die Bühne.

Spannende Spurensuche


Provenienzforschung. Ein sperriger Begriff. Doch was sich dahinter verbirgt, ist oft so spannend wie ein Krimi. Es gilt viele Spuren zu verfolgen. Manche führen in die Irre, andere auf die richtige Fährte und wieder andere laufen ins Leere.